Deutsch für Anfänger in 11 Folgen

Brigitte - die Ratlose

In Wirklichkeit

Geboren: 2.12.1955 in Düsseldorf
Aufgewachsen in: Düsseldorf
Wohnt in: Velbert, Bologna und   Reggiolo/Norditalien seit 1979
Familienstand: ledig (Lebensgefährte), keine Kinder
Ausbildung: Studium der Geschichte, Germanistik, Publizistik
Beruf: freie Publizistin, Übersetzerin

Im Film:

Reiseleiterin und Dolmetscherin

Brigitte hat noch nicht die Existenzform gefunden, die sie befriedigen würde. Was die Arbeit angeht, muss sie ständig  Zugeständnisse  machen. In Gefühlsangelegenheiten lässt sie sich allerdings nicht beirren. In der Ferne gibt es wohl einen gewissen Klaus. Doch für ein Zusammenleben reicht ihr das nicht. Insgeheim wartet sie immer noch auf die ganz große Liebe. Ihre sentimentale Ader suggeriert die ihr zugeordnete Musik. Die argentinische Milonga und das wehmütige brasilianische Volkslied, die ihre Affinität zum Süden andeuten.
Wir sehen Brigitte fast nur im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Permanent muss sie anderen Menschen auswendig gelernte Dinge aufsagen. Doch hinter der Berufsfassade steckt eine Menge emotionaler Sprengstoff. Brigitte ist eine, die auf Suche ist. Sie verkörpert in vielfacher Hinsicht einen neuen Typus deutscher Wirklichkeit:

- Sie lebt allein, führt ein sogenanntes „Single-Dasein“. Mit einem Anteil von rund 37% liegt der Einpersonenhaushalt an der Spitze deutscher Haushaltsformen. Ein Vergleichszahl: 1925 lag der Anteil allein lebender Menschen bei 6,7%. (Angaben: Datenreport 2004. Statistisches Bundesamt, S. 40)

- Brigitte arbeitet freiberuflich. Die freiberufliche Tätigkeit beschränkte sich ursprünglich größtenteils auf Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten und Künstler. Abgesehen von den Künstlern sind das Personengruppen, die überdurchschnittlich gut verdienen. Da in den vergangenen Jahrzehnten der Anteil der Akademiker in Deutschland gestiegen ist und Deutschland sich erstmals mit Akademikerarbeitslosigkeit konfrontiert sieht, versuchen immer mehr Personen mit Universitätsbildung, mittels „Jobs“ über die Runden zu kommen. Sie haben keinen festen Arbeitgeber, sondern bieten kurzfristige Dienste an. Es gibt freie Übersetzer, Journalisten, Publizisten, Informatiker, Dozenten, Regisseure, Cutter etc. Sie werden in der Regel unterdurchschnittlich bezahlt und profitieren kaum von der deutschen Sozialgesetzgebung. Ihre finanzielle Zukunft, vor allem die Versorgung im Alter, ist sehr ungewiss. Der Vorteil dieser meist erzwungenen prekären Existenzform: Es gibt keinen Chef.

- Brigitte gehört zu der wachsenden Zahl deutscher Frauen, die aus freier Entscheidung kinderlos und unverheiratet bleiben. Vor allem Frauen mit akademischer Bildung, wie Brigitte sie hat, entschließen sich dazu, keine Kinder in die Welt zu setzen. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig: akademische Berufe sind oft interessanter als andere und werden besser bezahlt. Kinder und Beruf sind jedoch schwer miteinander zu vereinbaren. Viele möchten für Kinder nicht auf Luxus und Wohlstand verzichten. Kinder machen abhängig vom Mann, vom Geld, vom Staat. Mit Kindern findet man schlechter Wohnraum und Arbeitsplätze. Und Kinder machen sehr viel Arbeit, die öffentlich kaum beachtet wird. Viele stellen sich auch die Frage: Kann man in diese Welt, deren vielleicht größtes Problem die Bevölkerungsexplosion ist, noch Kinder setzen, obwohl Geburtenkontrolle bei uns durch Verhütungsmittel möglich ist? Brigitte hat für sich entschieden. Doch mit ihrer Freiheit weiß sie noch nichts Rechtes anzufangen.

 

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